Herbstdepression: Drei Fragen an Prof. Dr. Ulrich Hegerl

Winterblues oder Herbstdepression – Wie erkenne ich, ob ich an einer behandlungs-bedürftigen Depression leide?
Hegerl: Die sogenannte Saisonal Abhängige Depression ist eine eher seltenere und meist weniger schwere Unterform der Depression. Nur ca. zehn Prozent aller Depressionen in den Herbst- und Wintermonaten entfallen darauf. Von einer Saisonal Abhängigen Depression spricht man, wenn jemand wiederholt nur in den Herbst- und Wintermonaten in eine Depression fällt und diese zwei Besonderheiten aufweist: Es bestehen keine Ein- und Durchschlafstörungen, wie bei der typischen Depression, sondern eher eine erhöhte Schlafneigung. Außerdem kommt es bei der Saisonal Abhängigen Depression zu vermehrtem Appetit und nicht wie sonst bei der Depression zu Appetitmangel.

Was kann ich bei einer Herbst-Winter-Depression tun?
Hegerl: Bei dieser speziellen Form der Depression ist eine Lichttherapie wirksam. Bei der Lichttherapie setzen sich die Patienten 30 Minuten vor eine sehr helle Tageslichtlampe. Diese Leuchten besitzen in der Regel mindestens 2.500 Lux. Zum Vergleich: Eine Bürolampe liefert lediglich 75 Lux, ist also deutlich weniger hell. Aber die richtige Dosis Tageslicht kann auch anders erreicht werden: Ein täglicher ausgedehnter Spaziergang im Freien reicht zum Beispiel oft schon. Selbst an trüben Tagen entspricht der Lichteinfall draußen in etwa dem einer Therapielampe. Zusätzlicher Vorteil ist die Bewegung an der frischen Luft – diese hat nicht nur einen positiven Effekt auf die Depression, sondern auch auf die Stimmung Nicht-Betroffener. Ein guter Grund, sich gegenseitig zu motivieren und eine Runde durch den Park zu gehen.

Und wenn diese Behandlung nicht anschlägt?
Hegerl: Bei schweren Saisonal Abhängigen Depressionen können eine medikamentöse und eine psychotherapeutische Behandlung notwendig sein. Ich empfehle den Patienten auch, über einige Wochen hinweg bei sich den Zusammenhang zwischen Bettzeit und Stimmung am nächsten Tag zu dokumentieren. Wenn eine längere Bettzeit von schlechterer Stimmung gefolgt ist, kann es sinnvoll sein, ein zu frühes Zubettgehen und spätes Aufstehen zu vermeiden. Bei typischer Depression ist Schlafentzug ein kurzfristig sehr wirksames antidepressives Verfahren, das Patienten bei stationären Behandlungen in vielen Kliniken routinemäßig angeboten wird.

Prof. Dr. Ulrich Hegerl ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Er ist seit 2006 Professor für Psychiatrie und Direktor der Klinik und Poliklink für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig und Sprecher des bundesweiten Forschungsnetzwerk „Kompetenznetz Depression, Suizidalität“. Seit 2013 ist er ​Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer.

Medienhinweise

ZDF 37 Grad: Ich bin noch da Suizidgedanken junger Menschen

*Triggerwarnung: Suizidgedanken*: Es ist nach wie vor ein Tabuthema, dabei ist Suizid die zweithäufigste Todesursache unter den 15- bis 25-Jährigen.

29 Min, Doku


In der Reihe Menschen hautnah: „Heute euphorisch, morgen depressiv - Arno ist bipolar“ im WDR Fernsehn.

Arno W. leidet an einer bipolaren Störung – seine Stimmung schwankt zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Seit mehr als 15 Jahren stellt die Krankheit sein Leben immer wieder komplett auf den Kopf.

43:32 Min. Von Pia Huneke und Yves Schurzmann.

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