Prof. Ulrich Hegerl

Frag den Experten: Was bedeutet ein Jahr Pandemie für Menschen mit Depression?

Die Corona-Pandemie sorgt nun schon seit einem Jahr für massive Einschränkungen. Was bedeutet das für Menschen mit Depression?

Prof. Ulrich Hegerl: Das Jahr mit der Pandemie war für Menschen mit Depressionen besonders nachteilig. Geringere Bewegung, eine schlechtere Tagesstruktur mit vermehrtem Grübeln und längere Bettzeiten sind Folgen der Maßnahmen gegen Corona, die den Krankheitsverlauf depressiv Erkrankter negativ beeinflussen können. Im ersten Lockdown berichtete sogar jeder zweite Patient, dass Behandlungstermine ausgefallen sind. Dies müssen Politiker noch stärker berücksichtigen, wenn sie nach der optimalen Balance suchen, zwischen dem Nutzen und den negativen Folgen der Corona-Maßnahmen.

Wohin kann ich mich wenden, wenn es mir gerade nicht gut geht?

Prof. Hegerl: Jeder Patient sollte wissen, dass er trotz Corona weiterhin einen Anspruch auf eine konsequente Behandlung der Depression hat. Ansprechpartner sind Psychiater, d. h. Fachärzte für psychische Erkrankungen oder Psychologen mit Spezialausbildung, d. h. Psychologische Psychotherapeuten. Zudem werden viele depressiv Erkrankte vom Hausarzt behandelt.

Was kann ich selbst tun, um besser mit der Situation umzugehen?

Prof. Hegerl: Hilfreich für Menschen mit Depression ist, sich einen richtigen Wochenplan zu machen und stundenweise einzutragen, was mache ich an diesem Tag. Dabei sollten Sie darauf achten, nicht nur Pflichten, sondern auch Angenehmes einzuplanen. Man kann auch versuchen, die Krise als Chance zu sehen und z.B. mal wieder mit Menschen zu telefonieren, die man lange nicht mehr gesprochen hat, alte oder neue Hobbies aufgreifen, ein dickes Buch zur Hand nehmen oder sich eine Wagner-Oper anhören. Auch regelmäßige Zeiten für Sport sollten in dem Wochenplan vorgesehen werden. Sehr wichtig ist ein geordneter Schlaf-Wachrhythmus mit Bettzeiten, die bei ca. 8-9 Stunden liegen sollten. Längere Bettzeiten und ein Sich-tagsüber-hinlegen führen bei den meisten depressiv Erkrankten zu einer Verschlechterung der Depression.

Mehr Tipps und Anlaufstellen für die Corona-Zeit unter: www.deutsche-depressionshilfe.de/corona

Medienhinweise

ZDF 37 Grad: Ich bin noch da Suizidgedanken junger Menschen

*Triggerwarnung: Suizidgedanken*: Es ist nach wie vor ein Tabuthema, dabei ist Suizid die zweithäufigste Todesursache unter den 15- bis 25-Jährigen.

29 Min, Doku


In der Reihe Menschen hautnah: „Heute euphorisch, morgen depressiv - Arno ist bipolar“ im WDR Fernsehn.

Arno W. leidet an einer bipolaren Störung – seine Stimmung schwankt zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Seit mehr als 15 Jahren stellt die Krankheit sein Leben immer wieder komplett auf den Kopf.

43:32 Min. Von Pia Huneke und Yves Schurzmann.

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